Morbus Bechterew
Beim Morbus Bechterew handelt es sich um eine chronische (nicht nur vorübergehende) rheumatische (vor allem das Bewegungssystem betreffende) Krankheit, die über entzündliche Prozesse zu einer knöchernen Einsteifung der Wirbelsäule
führen kann
(ankylosans = versteifend). Sie kann aber auch die übrigen Gelenke oder andere Organe des Körpers befallen. Sie gilt bis heute als unheilbar, läßt sich aber in ihrem Verlauf ganz entscheidend beeinflussen.
Der Morbus Bechterew ist keine Wirbelsäulen-Erkrankung, sondern eine "System-Erkrankung".
Die Fehlsteuerung des Immunsystems wirkt sich zwar in der Wirbelsäule am augenfälligsten aus, kann sich aber in den verschiedensten Organen ebenfalls äußern.
Symptome und Verlauf
Im Anfangsstadium sind die Beschwerden meist unspezifisch und werden daher oft fehlgedeutet. Zwischen den ersten Beschwerden und einer gesicherten Diagnose immer noch häufig mehrere Jahre.
Folgende häufige Erst-Symptome können für den Beginn charakteristisch sein:
- Zwischen rechts und links wechselnde Gesäßschmerzen verbunden mit einer Bewegungseinschränkung in der Lendenwirbelsäule und Ausstrahlung in die Oberschenkel
- Besserung bei Bewegung und Verschlimmerung bei Ruhe
- Morgensteifigkeit länger als 30 Minuten
- Andauern der Beschwerden über mehr als 3 Monate
- Steifigkeit und der Schmerzen vor allem in den frühen Morgenstunden.
Zusätzliche Hinweise:
- Unsymmetrische Entzündung einzelner Gelenke (z. B. Hüftgelenk, Kniegelenk)
- Fersenschmerzen oder eine andere Sehnenansatz-Entzündung (Enthesitis)
- Regenbogenhautentzündung (Iritis ) im Auge
- Schmerzen über dem Brustbein, Einschränkung der Brustkorbdehnung ohne erkennbare Ursache
- Eindeutige Besserung durch ein nicht-steroidales (cortisonfreies) entzündungshemmendes Medikament innerhalb von 48 Stunden und Wiederkehr der Schmerzen nach Absetzen des Medikaments.
- Die Feststellung des Erbmerkmals HLA-B27 beweist nicht das Vorliegen eines Morbus Bechterew. Umgekehrt beweist das Fehlen des Erbmerkmals auch nicht, dass kein Morbus Bechterew vorliegt.
Krankheitsverlauf
Die Bechterewsche Erkrankung verläuft bei jedem Patienten anders.
Oft prägen Entzündungsschmerzen den Krankheitsverlauf, bei anderen Patienten steht die Versteifung im Vordergrund.
Typisch
- ein Beginn der Erkrankung zwischen den 15. und dem 35. Lebensjahr
- Wechsel von Entzündungsschüben und Besserung
- eine fortschreitende Versteifung und Verformung der Wirbelsäule
- bei etwa 40 % der Patienten ein einmaliges oder wiederholtes Auftreten einer Iritis (Regenbogenhautentzündung) im Auge.
Begleit-Beschwerden:
Es gibt eine ganze Anzahl von Begleit-Symptomen, die mit dem Morbus Bechterew scheinbar nichts zu tun haben.
Selbst der Facharzt denkt bei Beschwerden z. B. im Bereich der Ohren nicht sogleich daran, dass die Störung auch von den Nerven oder Blutgefäßen ausgehen könnte, die durch Engpässe in der Halswirbelsäule hindurchführen.
Manchmal befällt der Morbus Bechterew auch andere Gelenke außerhalb der Wirbelsäule. Am häufigsten sind dies die Hüftgelenke, die Kniegelenke und die Sprunggelenke.
Auch außerhalb von Gelenken können Schmerzen am Knochen auftreten. Es handelt sich dabei um eine Sehnenansatz-Entzündung (Enthesitis). Schmerzen am Fersenbein, die das Stehen auf hartem Boden sehr unangenehm machen, stellen manchmal die allerersten Beschwerden beim Morbus Bechterew dar. Eine Sehnenansatz-Entzündung am Sitzbein macht das Sitzen auf harten Stühlen unangenehm.
Im Spätstadium der Krankheit können auch innere Organe von der Krankheit mitbetroffen sein (Lunge, Herz, Nieren, Nervensystem).
Die versteifte Wirbelsäule neigt zur Knochenporosität (Osteoporose).
Ursachen
Die Ursache des Morbus Bechterew ist nach wie vor unbekannt.
Man weiß, dass es sich um eine Fehlsteuerung des Immunsystems handeln muss, dass sich auch gegen eigene Körperzellen richtet.
Besonders häufig ist die Krankheit unter den Trägern des Erbmerkmals HLA-B27.
Ob körperliche Belastungen und seelische Einflüsse begünstigend wirken ist noch nicht endgültig geklärt.
Sicher ist, dass der Morbus Bechterew nicht ansteckend ist.
Diagnose
Klinische Diagnostik (Tasten, Sehen, Fühlen, Bewegen) werden folgende Kriterien geprüft:
- Tiefsitzender Kreuzschmerz und Steifigkeit länger als 3 Monate. Besserung durch Bewegung, aber nicht durch Ruhe.
- Eingeschränkte Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule in sagittaler und frontaler Ebene.
- Eingeschränkte Atemexkursion des Brustkorbes
- 90% der Patienten tragen das Erbmerkmal HLA-B27
Apparative Diagnostik
- Radiologisches Kriterium
- Entzündliche Veränderungen im Bereich der Kreuz-Darmbein-Gelenke
- Erosionen
- Sklerosierung
- Verkalkung der Bänder der Wirbelsäule, sodass sich die Wirbelkörper miteinander verbinden
- Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie / MRT)
- Entzündlichen Veränderungen im Bereich der Kreuz-Darmbein-Gelenke und der Wirbelsäule
- und auch zur Verlaufsbeurteilung und zur Kontrolle eines Therapieerfolges
- Sonographie / Ultraschall
- Beobachtung von peripheren Gelenkentzündungen und Entzündungen der Sehnenansätze
Therapie
Konservative Therapiemöglichkeiten:
Physikalische Therapie
- Physiotherapie
- Viele Patienten brauchen keine Medikamente, sobald sie sich auf ein regelmäßiges Übungsprogramm eingestellt haben.
- Durch gewissenhafte krankengymnastische Übungen und konsequente Haltungskontrolle können ernsthafte Verkrümmungen in den allermeisten Fällen vermieden werden. Morgens durchgeführt helfen sie gleichzeitig gegen dieMorgensteifigkeit und die damit zusammenhängenden Schmerzen.
- Auch gegen die Knochenporosität (Osteoporose) ist Krankengymnastik wichtig.
- Wärme- und Kälte-Therapie
Konservative Therapie
Ernährungs-Empfehlung:
- nur zwei Fleischmahlzeiten pro Woche,
- 2 bis 3 Fisch- oder Soja-Gerichten pro Woche,
- Pflanzenfetten (Soja-, Lein- oder Rapsöl) statt tierischer Fette,
- ½ Liter fettreduzierter Milch oder Milchprodukten täglich,
- ausreichend Vitaminen und Antioxidantien (Vitamin E),
- wenig Alkohol, kein Nikotin, und
- viel Bewegung an der frischen Luft (Vitamin D).
Medikamentöse Therapie
Es gibt heute eine ganze Anzahl gut wirksamer "nichtsteroidaler Antirheumatika" (d. h. gegen rheumatische Krankheiten wirksame Medikamente, die keine Cortison-ähnlichen Substanzen enthalten).
Da diese Medikamente bei langem Gebrauch Nebenwirkungen verursachen können (z. B. Magenblutungen und -geschwüre, Allergien, Kopfschmerzen oder Schwindel), muss mit Hilfe des Arztes das bestverträglichste und gleichzeitig wirksamste herausgefunden werden.
In Fällen, bei denen eine Behandlung mit nicht-steroidalen Antirheumatika nicht ausreicht oder der Patient keines dieser Medikamente verträgt, kommt eine 10-malige Injektion des radioaktiven Isotops Radium-224 in Frage.
Cortisonhaltige Medikamente werden nur im Notfall eingesetzt.
Die äußerliche Anwendung eines Glukocorticoids bei einer Iritis (Augen-Regenbogenhautentzündung) ist zur Erhaltung der Sehkraft unerlässlich.
Vitamin E und Naturheilverfahren
Mit "Naturheilmitteln" oder anderen von der Schulmedizin nicht anerkannten Methoden ist die Krankheit bei vielen Patienten soweit in den Griff zu bekommen, dass sie auf die Einnahme nebenwirkungsreicher Medikamente weitgehend verzichten können.
Operative Therapien:
Wenn die Beweglichkeit der Hüftgelenke nicht mehr gegeben ist, kann ein künstliches Hüftgelenk (Endoprothese) eingesetzt werden. Auch Operationen am Kniegelenk können beim Morbus Bechterew notwendig sein.
Die schlimmste Behinderung ist die Versteifung des Rückens in gekrümmter, vornübergeneigter Stellung. In extremen Fällen kann diese durch eine Aufrichtungsoperation korrigiert werden.